KLIMAWANDEL

Die Elementarschaden-Versicherung - Lösung für das wachsende Überschwemmungsrisiko?

Der Klimawandel führt weltweit zu häufigeren und intensiveren Wetterextremen, darunter vermehrt Überschwemmungen. Wie lässt sich dieses Risiko versichern?

Zwischen 1970 und 2021 entfielen laut der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) fast die Hälfte aller gemeldeten Naturkatastrophen auf Überschwemmungen – verursacht durch Flussfluten, Sturzfluten und Sturmfluten. Diese Entwicklung stellt Gebäudeeigentümer und Versicherungen vor neue Herausforderungen und wirft die Frage auf, ob die Elementarschaden-Versicherung eine adäquate Lösung angesichts der zunehmenden Risiken durch den Klimawandel bieten kann.

Klimawandel und komplexe Überschwemmungsrisiken

Das Überschwemmungsrisiko hat sich deutlich ausgeweitet und umfasst längst nicht mehr nur die Nähe zu Flüssen oder Seen. Starke Regenfälle können unabhängig von natürlichen Gewässern auftreten und verursachen zunehmend lokal begrenzte Überschwemmungen. Ursachen sind neben der Zunahme extremer Niederschläge auch die starke Flächenversiegelung und veraltete Abwassersysteme, die große Wassermengen nur unzureichend ableiten können. Auch in ländlichen Gebieten erhöhen Trockenperioden das Risiko, da verhärtete Böden das Wasser schlechter aufnehmen. Zudem spielt die topografische Lage eine entscheidende Rolle: Häuser in tiefer gelegenen Hangbereichen sind oft deutlich stärker gefährdet als Gebäude weiter oben am Hang.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat in seinem Zonierungssystem (ZÜRS Geo) zur Risikobewertung von Hochwasser, Rückstau und Starkregen vor diesem Hintergrund drei neue Starkregengefährdungsklassen eingeführt. Solche Maßnahmen zeigen, wie dynamisch und komplex die Risikobewertung durch den Klimawandel geworden ist.


Versicherungsdichte und Fehleinschätzungen des Risikos

Trotz der Zunahme solcher Ereignisse und einer moderat steigenden Versicherungsquote sind laut GDV nur etwa 50 Prozent aller Wohngebäude in Deutschland gegen Elementarschäden abgesichert. Dies variiert erheblich zwischen den Regionen und lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen:
  • Fehleinschätzung des Risikos: Viele Hausbesitzer unterschätzen das Überschwemmungsrisiko für ihre eigene Immobilie. Häufig wird das Risiko nur für Gewässernähe erkannt, nicht aber für Starkregen zum Beispiel in städtischen Gebieten.
  • Missverständnis des Versicherungsschutzes: Viele Hausbesitzer sind der Ansicht, ihre Wohngebäude-Versicherung decke bereits alle wesentlichen Elementarrisiken ab, was jedoch oft nicht zutrifft. Eine Umfrage des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen (SVRV) zeigt, dass 64 Prozent der Befragten sich sicher waren, ausreichend abgesichert zu sein. Tatsächlich dürfte dies gemäß den GDV-Zahlen bei 20 Prozent der befragten Personen mit positiver Antwort nicht der Fall sein.
  • Verlass auf staatliche Hilfen: Manche Eigentümer gehen davon aus, dass Bund und Länder im Schadenfall finanziell einspringen. Zwar wurden in der Vergangenheit teils erhebliche finanzielle Unterstützungen bereitgestellt, jedoch ohne Rechtsanspruch. Oftmals sind solche Zahlungen auf einen Teil des jeweiligen Gesamtschadens begrenzt. Solche Hilfen sollen künftig stärker auf Härtefälle beschränkt werden, welche insbesondere dann nicht vorliegen dürften, wenn der Versicherungsmarkt eine Absicherung ermöglicht hätte.

Die Hürden bei der Elementarschaden-Versicherung und die Rolle einer möglichen Versicherungspflicht

Deshalb wird eine Pflichtversicherung immer wieder diskutiert, ähnlich wie es sie in anderen Ländern bereits gibt. Die Debatten über eine Pflichtversicherung umfassen verschiedene Modelle: von einer staatlichen Rückversicherung zur Stabilisierung der Prämien bis hin zu einem Opt-out-Modell. Letzteres würde automatisch einen Elementarschutz umfassen, den Versicherungsnehmer jedoch – nach Aufklärung über die Folgen – aktiv abwählen könnten.
 
Die steigende Häufigkeit dieser Diskussionen in Deutschland ist dabei ein Spiegelbild des zunehmenden Auftretens katastrophaler Überschwemmungsereignisse, wie:
  • 2002

    Jahrhunderthochwasser entlang der Elbe 


  • 2013

    Juni-Hochwasser entlang der Donau und der Elbe


  • 2016

    Überschwemmungen in Süddeutschland


  • 2021

    Flutkatastrophe mit besonders schweren Folgen im Ahrtal


  • 2023/2024

    Weihnachtshochwasser in vielen Teilen Deutschlands


  • Mai und Juni 2024 

    Massive Überschwemmungen vor allem in Bayern und Baden-Württemberg


Eine Pflichtversicherung könnte die Absicherungsquote erhöhen, würde aber auch die Versicherer und Rückversicherer stark beanspruchen, da die Kosten für Entschädigungen mit dem Überschwemmungsrisiko steigen. Dieser Anstieg führt schon jetzt zu höheren Prämien und einer allgemeinen Marktverhärtung. Der Rückversicherungsmarkt reagiert weltweit mit Prämienanpassungen, was in der Folge auch die Preise für die Versicherungsnehmer erhöht.


Prävention und Eigenverantwortung als notwendige Ergänzungen

Angesichts des steigenden Risikos und der Tatsache, dass eine Versicherung Überschwemmungen nicht verhindern kann, wird Prävention immer wichtiger. Bauliche Maßnahmen wie die Installation von Rückstausicherungen, die Positionierung werthaltiger Haustechnik in höheren Stockwerken oder verstärkte wasserdichte Kellerfenster können Schäden entweder vollständig verhindern oder zumindest minimieren. Ein solches Engagement in Eigenvorsorge kann zudem die Versicherungsprämien senken und erhöht die Bereitschaft der Versicherer, solche Risiken zu akzeptablen Konditionen beziehungsweise überhaupt abzusichern.

Zudem könnten strengere Bauvorschriften für gefährdete Neubauten und eine Anpassung der Bauleitplanung dazu beitragen, Neubauten in Überschwemmungsgebieten zu vermeiden. Der GDV hatte 2023 betont, dass der Anteil neu errichteter Gebäude in Risikogebieten stetig steigt und seit 2000 jährlich mehrere Tausend Wohngebäude in überschwemmungsgefährdeten Gebieten entstanden sind, was die Gefahrensituation weiter verschärft. Daher wurde auch die Überprüfung der Amtshaftung bei der Zuteilung von Bebauungs- und Festsetzung von Überschwemmungsgebieten diskutiert, um Neubauten in hoch gefährdeten Bereichen einzudämmen.

Auf mögliche Gesetzesänderungen hat der einzelne Immobilienbesitzer jedoch keinen Einfluss und sollte eigenverantwortlich die oft so wichtige Bewertung der Lage bei Investitionen in bestehende Gebäude oder Bauvorhaben um den Aspekt des Überschwemmungsrisikos erweitern.

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Hochwasserschutz und Schadenprävention

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Fazit: Die Elementarschaden-Versicherung als Baustein, nicht als alleinige Lösung

Die Elementarschaden-Versicherung ist ein wesentlicher Bestandteil des Schutzes gegen Überschwemmungen und andere klimabedingte Extremwetterereignisse. Jedoch kann sie das Risiko allein nicht beherrschbar machen. Eine wirksame Absicherung muss ein umfassendes Maßnahmenpaket umfassen, das Präventionsmaßnahmen, Anpassungen in der Bauplanung und eine gezielte Risikoeinschätzung vereint. Elementarschaden-Versicherungen leisten hierbei im Schadensfall wertvolle finanzielle Unterstützung, sind aber kein Ersatz für vorausschauende Prävention und Eigenverantwortung. Langfristig wird eine Kombination aus Versicherungsschutz und baulicher Eigenvorsorge notwendig sein, um den klimabedingten Risiken adäquat zu begegnen.


Sascha Hellriegel

Mitglied der Abteilungsleitung Sach Berlin

s.hellriegel@funk-gruppe.de
Interview Sascha Hellriegel
Rückschau Deutscher Verwaltertag